Der Verfasser stützt sich bei dieser Darstellung hauptsächlich auf die Erzählungen seiner Großmutter Maria Langenberg geborene Remy, die am 3. April 1950 im hohen Alter von 95 Jahren starb. Da sie viel aus ihrer Jugend erzählte, möchte der Verfasser nicht versäumen, diese Jugenderlebnisse nachzuerzählen, weil sie ein Bild von den Verhältnissen in Xanten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermitteln. Bei dieser Darstellung stand für Maria zunächst die Familie Remy und die Nachbarschaft in der Marsstraße im Mittelpunkt, bis Johann Julius Langenberg in ihr Leben trat.
Johann Julius Langenberg, ein um zehn Jahre jüngerer Bruder des Kirchenbaumeisters Gerhard Franz Langenberg, wurde am 22. Februar 1852 in Xanten geboren. Am 24. Februar wurde er vom Pfarrer Johann Theodor Theißen getauft. Taufpaten waren Johannes Hardering aus Büderich und Johanna van Wehl. Am 27. Juli 1880 heiratete er Maria Helena Remy, geboren am 18. März 1855 in Xanten, Tochter des Kaufmanns und Stadtverordneten Carl Wilhelm Remy (1. 2. 1815 - 4. 9. 1889) und der Elisabeth Sibylle Roters (19. 4. 1824 - 31. 7. 1877), die nach Aussage ihrer Tochter Maria "`das lustigste Mädchen der Stadt"' gewesen sei. Wenn Elisabeth von Natur aus auch ein fröhliches Gemüt besaß, hatte sie doch ein schweres Los zu tragen. Von den elf Kindern, die sie geboren hatte, überlebten die Mutter nur drei, und sie selbst starb schon im Alter von 53 Jahren an einem Unterleibsleiden. Außer Maria, Julius Langenbergs spätere Ehefrau, erreichten nur Carl Remys Töchter Elisabeth (18. 6. 1864 - 1. 10. 1910) und Anna (2. 9. 1866 - 21. 3. 1945) ein höheres Alter. Anna starb in Bonn in der Wohnung ihrer Schwester Maria.
Im Alter von zwei Jahren schwebte aber auch Maria in höchster Lebensgefahr, wie aus einem Brief ihres Onkels Heinrich Roters, des Stadt- und Kirchenrendanten, vom 16. April 1857 an ihren Vater, der sich damals in Minden aufhielt, hervorgeht. Da wir in diesem Brief einiges über die therapeutischen Maßnahmen in der damaligen Zeit erfahren, soll er hier wiedergegeben werden:
Der Zustand des kleinen Mariechens beunruhigt mich und ich halte es deshalb für meine Pflicht, Dir das Nähere mitzutheilen. Vergangenen Dienstag ließ Deine Frau den Doktor Lensing rufen und dieser fand die Krankheit so bedenklich, daß er gegen die rheumatische Brustaffectation zwei Blutegel verschrieb. Gestern gegen Abend verordnete er ein Brechmittel, welches gute Wirkung that und soeben, morgens 9 Uhr glaubte er einige Besserung zu bemerken, hielt es aber doch für nöthig, ein Spanischfliegenpflaster zwischen die Schultern zu bringen und etwas Sauerteig unter die Füßchen legen zu lassen.
Wie die Sachen jetzt stehen, läßt sich nichts vorhersagen, der Doktor wird aber diesen Abend gegen 6 Uhr das Kind wieder besuchen, und wir alle wünschen und hoffen, daß bis dahin eine Besserung eingetreten sein wird. Das Kind ist, auf dem Schoß der Mutter liegend, ganz ruhig und geduldig und leidet fast gar nichts; der Husten ist auch loß und wenn heute der Appetit zurückkehrt, dann ist wohl eine Herstellung wahrscheinlich. Hermännchen leidet auch an einem Husten, der aber, wie mir Lensing sagte, durchaus keine üblen Folgen erwarten lassen. Möchte die Krankheit Mariechens bis diesen Abend oder morgen keine günstige Wendung nehmen und das Schlimmste zu befürchten bleiben, dann werde ich Dir morgen durch den Telegraph nähere Mittheilung machen. Deine Frau ist fast außer sich vor Betrübniß und wir alle, wie Du das denken kannst, sind recht schmerzlich berührt. Wenn ich Dir nach Empfang dieses Briefes keine ferneren Mittheilungen mache, dann ist Besserung eingetreten und bei der Rückkehr von Deiner Reise wird das Kind Dich froh und munter empfangen.
Mit den herzlichsten Grüßen von Deiner Frau und uns allen
Dein
H. Roters
Zwei Tage später, am 18. April 1857, folgte ein weiterer Brief dieses Inhaltes:
Der Zustand des lieben kleinen Mariechens wird bedenklicher, weshalb Deine Frau Deine baldige Rückkehr erwartet.
Mit herzlichen Grüßen
Dein Roters
Am selben Tag noch gab Heinrich Roters eine telegraphische Depesche auf:
der Zustand Mariechens wird hoffnungsloser. Deine Frau wünscht Deine baldige Rückkehr. Schleunige Antwort.
Xanten, den 18. April 1857
Roters
Mariechens Zustand besserte sich allmählich, und sie genas vollständig, während Hermännchen wie sieben seiner Geschwister als Kleinkind sterben mußte. Rendant Heinrich Roters, dessen Ehe mit einer geborenen Oomen kinderlos blieb, kümmerte sich auch später sehr um seine Nichte Maria. Das Mädchen hielt sich mehr bei Onkel und Tante als zu Hause auf. Maria begleitete ihn auf den Wegen, die er aus amtlichen Gründen zurückzulegen hatte, z.B. zum Major a.D. Gustav von Hochwächter auf Haus Fürstenberg. Da das Mädchen tüchtig im Rechnen war, half sie ihrem Onkel bei seinen vielen Rechenarbeiten. Im Bücherschrank des Verfassers steht noch ein Gebetbuch, das der Rendant und seine Ehefrau ihrer Nichte zum Andenken schenkten.
Auf ihren Gängen in Begleitung ihres Onkels begegnete Maria Remy dann und wann dem jungen Julius Langenberg, und die jungen Leute waren sich nicht gleichgültig. Sie fanden bald Gefallen aneinander. Beim Tanzen auf einem Schützenfest lernten sie sich näher kennen.
Carl Remy war gegen die Heirat seiner Tochter mit Julius Langenberg. Remy rechnete sich zur Hautevolee in Xanten. Er war mit dem Gutsbesitzer Gerhard Schleß, der mit der reichen Bankierstochter Clara Gisberta Brinck verheiratet war, befreundet. Schleß lenkte vom 1. Mai 1863 bis zum Jahre 1897 die Geschicke der Stadt Xanten. Eine Zeitlang hatte er den Landkreis Moers im preußischen Landtag vertreten. Remy knüpfte auch freundschaftliche Bande zum Stadtsekretär Hermann Devers, der rechten Hand des Bürgermeisters Schleß. Devers war wie Remy nationalliberal eingestellt und hatte kein gutes Verhältnis zur katholischen Kirche. Nur selten habe man ihn in der Messe gesehen. Er galt aber als die stattlichste Erscheinung der Stadt. Maria Langenberg sagte von ihrem Ehemann Julius, er sei in ihren Augen schöner als Devers gewesen. Der Stadtsekretär habe damals alle Xantener durch seine Intelligenz ausgestochen. Wegen seines imponierenden und würdevollen Aussehens und Auftretens wurde er allgemein "`der Baron"' genannt. Er spielte eine führende Rolle in der Bürgerschützengesellschaft. Seit dem 14. Mai 1871 war er einer der drei Direktoren. Er war auch Mitglied der am 6. Dezember 1784 gegründeten Sozietät, die ursprünglich die Gedanken der Aufklärung verbreiten wollte, und des Niederheinischen Altertumsvereins. Die Liedertafel "`Orphea"' leitete er eine Zeitlang als Präsident.
Als der katholische Priester Brockelmann, vom 25. Oktober 1859 bis zu seinem Tode am 30. September 1873 Dechant an St. Viktor in Xanten, in der damaligen Kulturkampfzeit Carl Remy fragte, ob er auch etwa Mitglied der liberalen Liedertafel sei, antwortete Remy stolz: "`Seit 1849 gehöre ich der Liedertafel an."' Der Dechant antwortete: "`Schlimm genug!"'
Die Liedertafel hatte sich im Laufe der Zeit in ihrer religiösen und politischen Einstellung gewandelt. Als im Revolutionsjahr 1848 der fromme katholische Lehrer Tüllmann die Liedertafel geleitet hatte, stand sie nicht im Verdacht kirchen-, wohl aber regierungsfeindlich zu sein. Im Jahre 1852, dem Geburtsjahr Julius Langenbergs, wurde die Generalversammlung des Xantener Dombauvereins durch ein Hochamt unter Mitwirkung der Liedertafel eingeleitet. Carl Remy erzählte bisweilen von diesem Ereignis. Der aus Keppeln bei Uedem stammende Xantener Kaplan Hermann Fugmann (14.09.1830 - 17.06.1899), von dem Maria und Julius Langenberg immer mit Hochachtung sprachen, soll bei aller religiösen Standfestigkeit die Liedertafel nicht so unerbittlich verurteilt haben. Er galt auch als verständnisvoller Beichtvater. Solange er in den Jahren 1868 bis 1870 den "`Boten für Stadt und Land"' redigierte, fehlte die Härte und Schärfe in der Auseinandersetzung. Das änderte sich, als Fugmann Xanten verließ und zum Pfarrer in Orsoy ernannt wurde. Er starb als Pfarrer in Straelen. Der Priester Freudenhammer, der Leiter der Rektoratschule, eine religiös-asketische Kämpfernatur, der die Konfrontation mit dem ideologischen Gegner suchte, brachte als neuer Redakteur des "`Boten für Stadt und Land"' eine außerordentliche Schärfe in die politische und religiöse Auseinandersetzung. Inzwischen hatte der Kulturkampf seinen Höhepunkt erreicht. Freudenhammer wurde nach dem Tode Brockelmanns Pfarrverweser. Als Rektor der Rektoratschule wurde er am 10. Dezember 1874 wegen "`staatsfeindlicher Umtriebe"' abgesetzt. Der liberale Carl Remy galt ihm als Abtrünniger. Nach Aussage der Eheleute Maria und Julius Langenberg soll er besonders Angst vor der Hölle geweckt haben. "`Bekenne - oder brenne !"' habe er donnernd in die zitternde Gläubigenschar geschleudert.
Carl Remys Vater Hermann Remy (14. 12. 1779 - 7. 2. 1869), der vom Hof de Haen in Bislich bei Wesel stammte, hatte am 9. Dezember 1812 in Xanten Everhardine Helena van Kempen (28. 12. 1792 - 22. 6. 1864), eine Tochter des Xantener Gastwirtes Johann Heinrich Wilhelm van Kempen (23. 8. 1730 - 26. 2. 1803) und der Johanna van Bebber, geheiratet. Er war Großkaufmann und bewohnte ein unmittelbar an das Mitteltor anschließendes herrschaftliches Haus, das im Jahre 1751 erbaut wurde und nach Walter Baders Auffassung ein Kanonikerhaus war. Im schönsten Raum des ersten Stockwerkes habe man nach der Erzählung Marias, Julius Langenbergs Gattin, einen prunkvollen Kamin bewundern können. Darüber habe ein Gemälde gehangen. Darauf sei Siegfried dargestellt gewesen, wie er gerade das Schwert in den Drachen gestoßen habe. Der Kamin wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet. In dem Raum darunter, heute Dienstzimmer des Oberförsters, ist ein ähnlicher Kamin zu sehen. Auf dem Gemälde, das darüber hängt, ist St. Viktor dargestellt. Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts verkaufte die Familie Remy das Haus an die Witwe Elise des Staatsarchivrates von Haeften, eine Tochter des Majors Gustav von Hochwächter (1810 - 1890), der auf Haus Fürstenberg bei Xanten saß. Elise von Haeften bewohnte das Haus bis zum Jahre 1882. Damals verkaufte sie es an den preußischen Staat und zog nach Weimar, wo sie am 3. Mai 1916 starb. Der Staat Preußen richtete in dem Gebäude 1882 das Staatliche Forstamt Xanten ein.
Hermann Remy hatte außer seinem Sohne Carl, Julius Langenbergs Schwiegervater, noch acht weitere Kinder, die Tochter Luise und sieben Söhne. Die Söhne Everhard und Robert lebten unvermählt in Xanten, Leopold war in Wesel verheiratet und hatte keine Kinder, Ludwig, Ehemann der Antoniette geborene Schmitz, hatte seinen Wohnsitz in Xanten und war Vater dreier Kinder, Theodor wohnte mit seiner Gattin Therese geborene Nauen in Neuß (drei Kinder), Wilhelm, Gatte der Marianne geborene Rademacher, lebte in Xanten und hatte drei Kinder, August war als Notar in Köln tätig. Seine Gattin war eine Juliane geborene Schmitz. Diese Ehe blieb ohne Kinder.
Carl Remy besuchte nicht nur häufig seine Eltern und seine Geschwister, sondern auch seinen Vetter Theodor Remy (03.08.1803 - 14.06.1872) und dessen Ehefrau Gertrud geborene van Laak (09.12.1809 - 20.11.1871) und deren Sohn Gerhard (28.04.1844 -06.05.1919) auf Gut Ilt (Ylt), in Ginderich gelegen, sowie Gerhards Bruder Friedrich in Vynen (21.11.1835 - 01.03.1914), der Dorothea geborene Gorris (27.12.1835 - 15.03.1913) geheiratet hatte, die ihm den Bruckmannshof mit 280 Morgen Acker- und Weideland zuführte. Theodor, der älteste Sohn Friedrichs, war Professor der Landwirtschaft in Bonn. Er fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Bonn-Poppelsdorf. Diese Verwandten waren "`dicke Bauern"', die "`viel unter den Füßen"' hatten. Carl Remys Tochter mußte lachen, bevor sie über ihren Vater zu sprechen begann. Sie sagte immer: "`Die Remys haben es hoch im Kopf"', d.h. sie sind eingebildet. In bezug auf ihren Vater ergänzte sie: "`Hoch im Kopp on leg in de Täß."' Carl Remy habe nur von silbernen Löffeln gegessen. Die silbernen Suppenlöffel sind noch heute im Familienbesitz, darüber hinaus ein Renaissancetischchen, ein Brößpott, eine Olilamp (Blankert aus Messing) und ein Koffiekätel, mit dem Kaffee auf das zwei Morgen große Feld an der Landwehr oder zum Garten neben dem Pesthaus gebracht wurde. Am 18. September 1856 hatte Carl Remy beide Grundstücke aus dem Nachlaß des berühmten Altertumsforschers und Notars Philipp Houben ersteigert.
Carl Remy hatte die Arbeit nicht erfunden. Während seine Ehefrau Elisabeth im Lebensmittelgeschäft Marsstraße 42 Geld verdienen mußte, saß Carl Remy, die Zipfelmütze tief in die Stirn gezogen und mit einer langen Tonpfeife im Mund, auf dem Sofa hinter einer riesigen Zeitung. Dann und wann hörte man ihn als echten Bismarckianer und Nationalliberalen auf die Ultramontanen (Zentrumskatholiken) schimpfen. Das gefiel seiner frommen Ehefrau Elisabeth gar nicht. Carl Remy hatte altkatholische Neigungen, denn er wollte sich mit dem Unfehlbarkeitsdogma nicht befreunden. Weil er deswegen in Xanten bekannt war, ließ er sich im Xantener Dom selten blicken. Er nahm aber die Strapaze auf sich, sonntags den Gottesdienst in Lüttingen zu besuchen. Als Carl Remy kurz vor seinem Tode seine Tochter Maria und seinen Schwiegersohn Julius Langenberg in Bonn besuchte, nahm er sonntags am altkatholischen Gottesdienst in der Namen-Jesu-Kirche in der Bonngasse teil.
Carl Remy hatte neben dem Politisieren noch andere Steckenpferde. Gerne besuchte er Versteigerungen, die sein Schwager, der Auktionator Aloys Lamers (1830 - 1909), durchführte. Wenn Lamers zu Remy sagte: "`Carl, biet es drop!"' stellte sich der Erfolg bald ein: "`Wups, da hatte er es schon!"' äußerte seine Tochter Maria. Alte Herde, Kisten voller Bücher und Gerümpel, das niemand haben wollte, fanden ihre letzte Ruhestätte auf Remys Speicher. Carl hatte auch die Angewohnheit, mit dem Lied "`Sah ein Knab` ein Röslein stehn"' auf den Lippen durch die Hees zum Gasthof Röschen zu wandern, während seine Frau im Laden stand. Auch pflegte er bisweilen in der Woy zwischen Beek und Rhein zu baden. Wenn ihn die Arbeitswut packte, was selten genug vorkam, kaufte er ganze Wagenladungen mit Obst auf, das er, ohne sich weiter darum zu kümmern, verrotten ließ. Zu seinen Gesprächsthemen gehörte neben der Politik die Bürger- Schützengesellschaft, der u.a. er, sein Bruder Ludwig und sein Schwager Heinrich Roters, der seit dem 21. Januar 1870 erster Direktor war, angehörten. Bisweilen sprach er davon, er und sein Bruder Ludwig hätten zu den fünfzig Unterzeichnern der neuen Satzung der Schützengesellschaft vom 10. Juli 1842 gehört, welche die alte Satzung von 1832 ersetzte. Noch mehr Raum in seinen Unterhaltungen nahm die Liedertafel "`Orphea"' ein. Stolz erzählte er von dem Wohltätigkeitskonzert, das im Jahre 1852 im Schloßpark zu Moyland stattfand, oder vom niederrheinischen Bundessängerfest im August desselben Jahres in Kleve, wo sich die Xantener Liedertafel mit den bedeutendsten niederländischen und niederrheinischen Chören messen mußte. 1861 war Carl Remy in Moers dabei, als die Liedertafel einer Einladung des dortigen Gesangvereins folgte. Er war auch stolz, wenn er mit dem Chor auf einer Goldhochzeit singen durfte. Wenn der Landtagsabgeordnete Gerhard Schleß aus Berlin in seine Heimatstadt Xanten zurückkehrte, wurde er mit dem Gesang des Männerchores empfangen. Als im März 1871 auf dem Xantener Marktplatz die Friedenseiche gepflanzt wurde, durfte die Liedertafel "`Orphea"' nicht fehlen. Öfters trat die Xantener Liedertafel gemeinsam mit dem Musikcorps des 57. Infanterie-Regimentes auf, zu dem die Liedertafel freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Beim fünfzigjährigen Jubiläum des Chores im Jahre 1886 wurde Carl Remy als ältestes lebendes Mitglied der "`Orphea"' durch den Bürgermeister Schleß und den Präsidenten Hermann Devers besonders geehrt. Er sang damals neben Johann Scholten, Simon Stern, Jakob Schmithüsen, Heinrich Roters, Ludwig Wachendorf und Laurenz Krams den II. Baß. Der damals 23jährige Laurenz Krams, später Stadtkassendirektor in Xanten, war einer der beiden Großväter des Verfassers.
Carl Remy, der am 20. Juli 1874 Johanna Kreikamp, seinen langjährigen dienstbaren Geist, und am 31. Juli 1877 seine Ehefrau verloren hatte, und außer seiner ältesten Tochter Maria - seine jüngeren Töchter Anna und Elisabeth waren noch minderjährig - niemanden hatte, der ihn versorgen und das Lebensmittelgeschäft weiterführen konnte, wollte unter dem Vorwand, daß seine Tochter später eine bessere Partie machen könne, der Ehe seiner Tochter Maria mit Julius Langenberg die Zustimmung verweigern. Erst als sich ein "`Kind der Liebe"' ankündigte, mußte Carl Remy wohl oder übel seine Einwilligung geben. Seine Tochter Maria führte den Laden zunächst weiter, bis deren Schwester Anna alt genug war, diese Aufgabe zu übernehmen. Die Jungvermählten bezogen eine eigene Wohnung am Ende der Marsstraße, wo ursprünglich das Marstor gestanden hatte. Im Jahre 1881 sorgte Carl Remy dafür, daß sein Schwiegersohn Julius Langenberg von Hermann Devers als zweiter Tenor in die Liedertafel "`Orphea"' aufgenommen wurde. Carl Remy machte seinen Schwiegersohn Julius halb scherzend, halb warnend darauf aufmerksam, daß Dechant Brockelmann die Worte "`schlimm genug"' ausgestoßen habe, als Carl Remy stolz auf seine Zugehörigkeit zur Liedertafel hingewiesen habe. Seit dieser Zeit wurden in der Familie Langenberg die Worte "`schlimm genug"' zu einer stehenden Redewendung, die jetzt mit folgendem Zusatz versehen wurde: "`sall den Dechant wall seggen."'
Aus der Ehe des Johann Julius Langenberg mit seiner Ehefrau Maria geborene Remy gingen drei Kinder hervor:
Carl Langenberg war jahrelang Mitarbeiter seines Vaters. Nach dem Ersten Weltkrieg baute er herrschaftliche Einfamilienhäuser zu Mehrfamilienhäusern um, errichtete für sich in den Jahren 1932/33 das Dreifamilienhaus Bennauerstraße 24 und für seinen Schwager Dr. med. Joseph Clemens 1940 das Haus Kölnstraße 118. 1942 baute er in der Engeltalstraße (Bonner Altstadt) durch Bomben zerstörte Häuser wieder auf, die jedoch am 18. Oktober 1944 erneut vernichtet wurden.
Im Jahre 1949 nahm er an einem Wettbewerb im Hinblick auf Diplomatenhäuser teil, die an der heutigen Gregor-Mendel-Straße am Venusberghang gebaut werden sollten. Pfarrer Hans Stöcker, der von 1941 bis 1962 in Bonn-Poppelsdorf wirkte, beauftragte in den fünfziger Jahren Carl Langenberg, den Chorraum der katholischen Pfarrkirche St. Sebastian neu zu gestalten. Danach sollte die Kreuzigungsgruppe, geschaffen von Nikolaus Elscheidt, die Stöcker 1942 von der Kölner Pfarrei Maria im Kapitol für 1000 RM erworben hatte, dort aufgestellt werden. Im übrigen verwaltete Carl Langenberg die Häuser der Erbengemeinschaft Langenberg und war auch noch als gerichtlicher Sachverständiger in Bau- und Mietangelegenheiten tätig.
Aus der Ehe Carl Langenbergs mit Maria Langenberg geborene Krams gingen zwei Söhne hervor: Julius Karl Langenberg, geboren am 26. 6. 1928 in Bonn, und Herbert Walter Langenberg, geboren am 19. 12. 1930, gestorben am 6. 1. 1986. Julius Karl Langenberg, Realschullehrer a.D., der Verfasser dieser Abhandlung, heiratete am 15. Juni 1965 die Buchhalterin Maria König, geboren am 21. 1. 1932 in Bonn. Dieser Ehe entsproß der Sohn Stefan, geboren am 21. 2. 1967. Er studiert in Bonn Chemie.
Joseph Asen war ein Bruder des bekannten Bonner Malers Carl Theodor Asen, geboren am 22. 5. 1875 in Elberfeld, gestorben am 26. Juli 1927 in Bonn. Sein Nachlaß befindet sich im Bonner Stadtarchiv.
Ein anderer Bruder Joseph Asens war Dr. Johannes Asen, geboren am 11. 8. 1882 in Elberfeld. Er hat sich durch mehrere Veröffentlichungen in den "`Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein"' verdient gemacht. Später wirkte er als Bibliotheksdirektor an der Land- und Forstwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin. Dr. Johannes Asen starb am 7. 2. 1979 in Berlin-Lichterfelde.
Zunächst soll Johann Julius Langenbergs Bautätigkeit in Xanten dargestellt werden. 1866 wirkte er als Lehrling seines Vaters Peter Theodor bei der Restaurierung des gotischen Hauses am Markt in Xanten mit. Als Paul Clemen Johann Julius Langenberg fragte, ob er das gotische Haus restauriert habe, antwortete er, er habe dabei mitgewirkt. Professor Clemen nennt in den Kunstdenkmälern der Rheinprovinz, Kreis Moers, S. 16O, Julius Langenberg als Restaurator, obwohl dieser damals erst vierzehn Jahre alt war und nur als Gehilfe des Vaters und des um zehn Jahre älteren Bruders Gerhard Franz beteiligt war.
Vor Abschluß der Restaurierungsarbeiten am Xantener Dom am 19. Dezember 1868 hatte man Schwierigkeiten, ein schweres Metallkreuz oberhalb des Chores aufzurichten. Weil Julius Langenberg als besonders stark galt, wurde er herbeigeholt. Ihm gelang mit Hilfe anderer das schwere Werk.
Nachdem Julius Langenberg im Jahre 1969 am Hause des Herrn Heinrich Hollands in der Nähe des Mitteltores Baumaßnahmen durchgeführt hatte, baute er in Xanten darüber hinaus u.a. 1871 das Haus Dellemann am Markt, das Wohn- und Geschäftshaus seiner Schwägerin Anna Remy, nachdem der Vorgängerbau abgerissen worden war, 1979 das Wohnhaus für Herrn August Inderfurth, Viktoriastraße 5, 1880 das Haus des Müllers Friedrich Hermanns an der heutigen Siegfriedstraße sowie die Brauerei, die am 17. August 1897 durch einen Brand schwer beschädigt und nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen wurde.
In der Umgebung der Stadt errichtete er mehrere Bauernhöfe. Die zweigeschossigen Bauernhäuser sind drei-, fünf- oder siebenachsig mit flachem, die Haustür rahmendem Mittelrisalit. Diese Häuser haben im Gegensatz zu den Wohnstallhäusern und den T-Häusern des Großvaters und des Vaters kein Walm- oder Krüppelwalmdach, sondern ein Satteldach. Das Wohnhaus ist jetzt von den Wirtschaftsgebäuden getrennt und oft in parkähnliche Gärten eingebettet. Die Änderung der Bauweise ist darauf zurückzuführen, daß Julius Langenberg nicht einfach die Bautradition seiner niederrheinischen Heimat fortsetzte, sondern auch Literatur zu Rate zog. Der Verfasser besitzt noch ein Handbuch, das sein Großvater ihm hinterlassen hat: Ludwig von Tiedemann, das landwirtschaftliche Bauwesen, Handbuch zum Entwerfen, Construieren, Veranschlagen und Ausführen landwirtschaftlicher Gebäude, Verlag Ludwig Hofstetter, Halle a/S, 1882.
Die Bauernhäuser, Ställe und Scheunen, die Julius Langenberg baute, lassen, wie es der niederrheinischen Bautradition entspricht, die Feldbrandziegel unverputzt in Erscheinung treten; die Giebel sind jedoch mit bescheidenen Zierformen versehen, die unter Zuhilfenahme von Quartier-, Zweiquartier- und Dreiquartierstücken hergestellt sind.
In einem Brief wies Franz Langenberg seinen Bruder Julius auf die rege Bautätigkeit in Bonn hin. Julius Langenberg siedelte im Jahre 1888 nach Bonn über. Er bezeichnete damals Xanten als Loch, wo man nichts schaffen könne. Dennoch hat er sich später mit seiner Ehefrau Maria hauptsächlich über Jugenderlebnisse unterhalten, und zwar auf Xantener Platt. Immer wieder fiel die Redewendung: "`Sante van alle Kante"'.
Zunächst wohnte die Familie mit der Familie des Kirchenbaumeisters Gerhard Franz Langenberg zusammen, und zwar in dessen Haus Rheinwerft 23c in Bonn. Nach Fertigstellung seines ersten Wohnhauses Heerstraße 141 zog er dorthin um. Da die Stadt Bonn in der Mitte des 19.Jahrhunderts keine bedeutenden Industriebetriebe aufzuweisen hatte, sich aber auf Grund ihrer schönen Umgebung und der 1818 gegründeten Universität als Stadt der Erholung und Bildung eignete, entwickelte sich Bonn in den Gründerjahren vornehmlich in Richtung Süden und Südwesten: denn dort war die Landschaft wegen der Nähe des Venusberges und der Aussicht auf das Siebengebirge bedeutend schöner als im Norden.
Julius Langenbergs Sohn Carl berichtete über die Bautätigkeit seines Vaters folgendes: "`Nach unserer Ankunft in Bonn baute mein Vater für uns das Haus Heerstraße 141 mit zwei Ladenlokalen. Als es fertig war, zogen wir dorthin. Meine Mutter hatte dort einige Jahre ein Lebensmittelgeschäft, während mein Vater in Poppelsdorf die Häuser Kurfürstenstraße 56, 58, 60 und 62 erbaute. Ich mußte schon als Kind im Geschäft mithelfen und täglich Mittagessen und Lohngeld von der Heerstraße zur Kurfürstenstraße bringen. Mein Vater baute anschließend die Häuser Argelanderstraße 16, 18 und 27, darauf die Häuser Argelanderstraße 43, 45, 47 und 49, bei denen ich schon als Lehrling tätig war. Dann errichtete er die Häuser Reuterstraße 47, 49, 51, 53, 55 und 57, Argelanderstraße 127, 129, 131, 133, 135, 137 und 110, ferner Schloßstraße 32, 34, 36 und 38, Argelanderstraße 80 und 82.
Bei 19 Häusern habe ich als Maurer und Stukkateur mitarbeiten müssen. Während meiner Baugewerksschulzeit mußte ich Ferienarbeit leisten. Nach 1900 bauten wir 32 Häuser, und zwar die Häuser Argelanderstraße 114, 116, 118, 74, 78, 157, 140 und 142, Blücherstraße 43, 45, 47 und 49, Argelanderstraße 141, 143 und 145, Reuterstraße 40 und 42, Bennauerstraße 51, 49, 47, 45, 43, 41, 39, 37, 35, 33, 31, 29, 27, 25 und 23. Bei den Häusern 114, 116 und 118 habe ich nicht mitgearbeitet (Militärzeit vom 18. Oktober 1901 bis zum 28. September 1903 beim Rheinischen Infanterieregiment Nr. 68 in Koblenz). Bei den anderen 29 Häusern war ich als Bauleiter, Architekt und Unternehmervertreter tätig."' Die Häuser Bennauerstraße 33, 35, 37 und 39 wurden am 4. Februar 1945 durch ein Luftmine total zerstört. Die Aufzeichnungen des Sohnes werden durch Äußerungen der Ehefrau ergänzt. Danach war Julius Langenberg Bauherr, Architekt und Bauunternehmer in einer Person. So kaufte er an einer neuangelegten Straße der Südstadt oft eine halbe Straßenseite auf und bebaute die Grundstücke innerhalb eines Jahres mit zwei bis vier Häusern, die als Spekulationsbauten zum Verkauf oder zum Vermieten bestimmt waren. In den Jahren 1888 bis 1919 wechselte die Familie neunmal die Wohnung:
Oft zog die Familie in ein Haus, das noch nicht fertiggestellt war. So habe bisweilen das Treppengeländer noch gefehlt. 1894 und 1895 mußten die Langenbergs auf dem Bonner Talweg zur Miete wohnen, denn alle soeben fertiggestellten Häuser waren verkauft worden. Hier ereilte die Familie die Nachricht vom frühen Tode des Kirchenbaumeisters Franz Langenberg, eines Bruders des Architekten und Bauunternehmers Johann Julius Langenberg. Erst nach der Jahrhundertwende wurde die Familie seßhaft. Von 1901 bis 1919 bewohnte sie das Haus Argelanderstraße 80 und anschließend das Haus Bennauerstraße 23. Hier starb Johann Julius Langenberg am 4. November 1924 an einem Gehirnschlag. Er ist auf dem Bonner Südfriedhof beigesetzt. Julius Langenberg wählte nationalliberal, obwohl er gläubiger Katholik war, während seine Frau, die auf einer von Ordensschwestern vom hl. Kreuz geleiteten höheren Töchterschule erzogen worden war, der Zentrumspartei zuneigte. Sonntags ging der Baumeister stets zur Messe, setzte sich jedoch in der Krypta der Bonner Münsterkirche in die letzte Bank, während seine Gattin mit dem Gebet- und Erbauungsbuch von J.B. Devis S.J. in der Hand in den vorderen Bänken Platz nahm. Am Schluß des Gottesdienstes klopfte er mit dem Hausschlüssel auf die Bank, um seine Ehefrau zu sich zu bitten. Er hatte eine Abneigung Frömmlern gegenüber, die er Quissel nannte und denen er vorwarf, sich selbst für gut und die anderen Menschen für schlecht zu halten. Häufig verwendete er die Redewendung: "`Fromm hat eine Kuh gestohlen, dennoch heißt er weiterhin Fromm."' Auch hatte er etwas gegen fanatische Katholiken, die die Evangelischen als "`geuse Böck"' bezeichneten oder von ihnen sagten, sie seien "`geus wie ne Kat"'.
Julius Langenberg diente beim dritten Garderegiment zu Fuß in Hannover. Hindenburg war sein Leutnant. Sein Lieblingslied endete mit dem Refrain:
Das ist die Garde,
die ihren Kaiser liebt.
Das ist die Garde,
die da stirbt und sich nicht ergibt.
Als einmal frühmorgens Kaiser Wilhelm II. an der Spitze eines Regimentes durch die Heerstraße zum Tannenbusch ritt, stellte sich Julius Langenberg in strammer Haltung vor die Haustür und legte die Hand an die Mütze. Er war sehr stolz, als der Kaiser den Gruß erwiderte.
Seine Tochter Maria mußte auf dem Nachhauseweg vom Cäcilienlyzeum an der Meckenheimer Straße, der heutigen Thomas-Mann-Straße, zur Argelanderstraße 80 auf der Kaiserstraße am Borussenhaus vorbei. Dort saß eines Tages in einem Fenster Kronprinz Wilhelm, der der Schülerin eine Schachtel Zigaretten zuwarf und das Mädchen aufforderte, sich eine anzuzünden. Das tat Maria auch. Als sie dann in der Königstraße am Palais des Grafen Bylandt-Rheydt, in dem jetzt ein katholisches Mädchen-Gymnasium untergebracht ist, vorbeikam, machte die Schildwache sie darauf aufmerksam, daß ihr Schirm brenne. Zigarettenasche war in den Schirm gefallen und hatte ihn in Brand gesetzt. Als Maria nach Hause kam, war ihre Mutter empört, weil der nagelneue Schirm nicht mehr zu gebrauchen war. Der Vater aber tröstete seine Tochter und riet ihr sogar, die Zigaretten zum Andenken aufzuheben. Als Maria im Jahre 1978 in hohem Alter starb, hinterließ sie ihrer Tochter Doris die Zigaretten des Kronprinzen. Aus diesen Vorkommnissen geht Julius Langenbergs Treue zur Dynastie der Hohenzollern hervor. Vom heutigen Standpunkt aus war Julius Langenbergs Leben recht eintönig. Wochentags war er von frühmorgens 7 bis abends 19 Uhr ohne Unterbrechung auf der Baustelle tätig. Auch das Mittagessen nahm er dort zu sich. Sein Wahlspruch lautete: "`Arbeit macht das Leben süß."' Als die Familie im Hause Argelanderstraße 80 wohnte, saß sie im Sommer abends bei schönem Wetter auf dem Balkon oberhalb der Haustür. Im Winter spielte man bei Petroleums- und später bei Gaslicht Karten. Bisweilen lauschte man dem Klavierspiel der Tochter Maria oder des Sohnes Ernst Julius, der damals Schüler am Königlichen Gymnasium war. Des Baumeisters Ehefrau liebte es, ihrem Ehemann Schillers "`Lied von der Glocke"' von vorne bis hinten auswendig aufzusagen. Sie las der Familie häufig aus anderen Werken ihres Lieblingsdichters vor. Die Cotta-Ausgabe von 1838 hatte ihr Vater Carl Remy ersteigert. Als die Romane des Kalkarer Schriftstellers Joseph von Lauff, die zumeist in der niederheinischen Heimat spielen, erschienen, las die Familie einen Roman nach dem anderen. Der Baumeister amusierte sich darüber, daß seine Frau in den Büchern zu kratzen begann, wenn es spannend wurde oder "`wenn sie sich kriegten"'. Die Kratzer sind noch heute in den Bänden zu sehen. Wenn in der Ermekeilkaserne der Zapfenstreich geblasen wurde, begab sich die Familie zur Ruhe. Urlaub kannte der Baumeister nicht. Er reiste außer zu einer Beerdigung nie.
Seine Ehefrau verbrachte jedes Jahr die Sommerferien mit ihren Kindern bei ihren Schwestern Elisabeth und Anna Remy in Xanten. Anna war seit Februar 1911 mit dem Bildhauer Anton Clemens Breuer verheiratet. Clemens Breuer, geboren am 12. 10. 1867 in Xanten als Sohn des aus Nöthen (Reg. Bez. Aachen) stammenden Steinmetzen Paul Breuer (+ 11. 7. 1874) und seiner Ehefrau Johanna Maria Josephina geborene Brienen, arbeitete mit seinem Bruder, dem Steinmetzen Paul Breuer (1869 - 1925), zusammen. Clemens Breuer schuf u.a. auf dem Xantener Friedhof das Standbild des Knaben Jean Hegmann, dessen Ermordung am 29. Juni 1891 ein Teil der Bevölkerung zu Unrecht dem jüdischen Metzger Buschhof in die Schuhe schob. Der spektakuläre Buschhof-Prozeß erregte damals in ganz Deutschland die Gemüter. Clemens Breuer schuf auch Nachbildungen der Statuen der Märtyrer Viktor, Gereon und Mauritius über der Märtyrerpforte von 1497 am Xantener Dom, die im vorigen Jahrhundert entfernt worden waren. Vor einiger Zeit wurden die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Figuren durch den Bildhauer Offenburg nachgestaltet. Clemens Breuer starb bereits im Februar 1914 an einer Lungenentzündung. Seine Lunge war durch Steinstaub vorgeschädigt.
Maria Langenbergs Sohn Ernst Julius erzählte vor dem Ersten Weltkrieg in dem Gedicht "`Auf nach Vynen"' Xantener Ferienerlebnisse.
Nach dem Ersten Weltkrieg hielt sich die Witwe Anna Breuer geborene Remy im Sommer stets bei ihrer Schwester Maria Langenberg in Bonn auf. Ihr Lebensmittelgeschäft in der Xantener Marsstraße hatte sie aufgegeben und im Jahre 1925 ihr Haus dort verkauft. In Bonn besuchte sie zuweilen ihr Neffe Paul Breuer (* 10. 5. 1907 in Xanten), der Sohn des gleichnamigen Steinmetzen. Er war vor dem Zweiten Weltkrieg Kaplan in Kalkar. Er hielt sich auch einige Jahre lang in England auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er zuerst als Studienrat, später als Studiendirektor am Ernst-Kalkuhl-Gymnasium in Oberkassel tätig. Er starb am 21. 12. 1985 in Bonn-Oberkassel.
Um finanzielle Angelegenheiten kümmerte sich Julius Langenberg nicht. Seine geschäftstüchtige Gattin war dafür zuständig. Sie entlohnte die Mitarbeiter und verkaufte die Häuser. Auch die Sonntage waren nicht sehr abwechslungsreich. Nach dem Besuch der Messe in der Münsterkirche begaben sich die Eheleute nach Hause. Der Gatte beschäftigte sich mit neuen Entwürfen, während die Hausfrau kochte und dabei ihre Lieblingslieder sang, z.B. "`Großer Gott wir loben dich"', "`Lobt froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre"' oder "`Freut euch des Lebens"'. Im Sommer fuhr die Familie samt Dackel Flock oft mit dem Dampfer nach Königswinter, wo sie das Restaurant Bellinghausen bevorzugte. In späteren Jahren war besonders ein Spaziergang zur Schillerbank auf halber Höhe des Venusberges beliebt.
Julius Langenberg hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern, dem Polier Joseph Gammel (* 5. 10. 1876, + 4. 4. 1958), dem Maurer Fritz Oedekoven und den Handlangern. Schwierigkeiten hatte er mit der Konkurrenz. Einmal sind Teile des Baugerüstes angesägt worden, und zwar wohl von Neidern. Nicht gut zu sprechen war der Baumeister auf Studenten, die bisweilen in angeheitertem Zustand auf den Baustellen ihr Unwesen trieben und verjagt werden mußten. Einmal rächten sich die jungen Leute dadurch, daß sie dem Baumeister die Haustür zumauerten.
Es soll auch noch erwähnt werden, daß beim Bau eines Hauses in der Reuterstraße ein Blitz in das Gerüst eingeschlagen war, nachdem sich kurz vorher der Architekt mit seinen Mitarbeitern im Innern des Hauses in Sicherheit gebracht hatte. Eine Unterbrechung des wenig abwechslungsreichen Lebens war jeweils der Wahltag. Dann fuhr der Geheimrat Professor Dr. Remy, ein Verwandter der Ehefrau, vor, um den Architekten zum Wahllokal mitzunehmen. (Theodor Remy, geboren am 5. April 1868 auf Bruckmannshof in Vynen bei Xanten, gestorben am 30. Dezember 1946 in Bonn, wurde wegen seiner Forschungen auf dem Gebiet des Kartoffelanbaus "`Kartoffelpapst"' genannt.) Nach Aussage seiner Ehefrau soll Julius Langenberg unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg bei den preußischen Landtagswahlen in der ersten Klasse gewählt haben. Im Jahre 1922, zwei Jahre vor Julius Langenbergs Tode, erschien bei ihm Marie Liebrich, die Gattin des Generaldirektors der Concordia-Bergbau-AG Karl Wilhelm Liebrich (1854 - 1926). Frau Liebrich, geboren am 30, März 1861 in Xanten, gestorben am 3. Juni 1950 in Bonn, war Tochter des Xantener Sanitätsrates Dr. Robert Ueberhorst (1816 - 1889), Enkelin des Sanitätsrates Dr. Carl Johann Heinrich Ueberhorst (1785 - 1873) aus Xanten und Urenkelin des Xantener Gutsbesitzers und Bürgermeisters Theodor Johann Florens Ueberhorst (1751 - 1834). Marie Liebrich und Julius Langenbergs Ehefrau waren in ihrer Jugend freundschaftlich verbunden. Beide waren mit Töchtern des jüdischen Kaufmanns Alexander Oster (+ 20. 6. 1908) befreundet. Sie gingen in dessen Haus ein und aus. Maria Langenberg erzählte immer wieder von Malchen Oster, ihrer besten Freundin.
Grund des Besuches der Frau Liebrich bei Julius Langenberg war, sich zu erkundigen, ob der Architekt noch ein Haus zu verkaufen habe. Das mußte er verneinen, er konnte jedoch darauf hinweisen, daß das Haus Bennauerstraße 49, das ein Generalmajor a.D. Biss 1910 von ihm gekauft habe, wieder verkauft werden solle, da, wie Julius Langenbergs Ehefrau sich ausdrückte, der Generalmajor das Trompeteblasen der Franzosen nicht ertragen könne.
Herr Liebrich und seine Gattin kauften das Haus Bennauerstraße 49. Die beiden alten Damen aus Xanten besuchten sich häufig und plauderten über ihre Xantener Jugenderlebnisse. Dabei wurde auch das freundschaftliche Verhältnis von Frau Liebrichs Vorfahren zur Familie von Haeften erwähnt. Beide Familien stellten Xantener Bürgermeister. Sowohl Angehörige der Familie Ueberhorst wie solche der von Haeften waren Mitglieder der Sozietät und des Niederrheinischen Altertumsvereins und gehörten dem Vorstand der Bürger-Schützengesellschaft an. Marie Liebrichs Tochter Mathilde war mit dem Chemiker Friedrich Korten verheiratet, dessen Sohn Gerd (* 27. 12. 1915 in Oberhausen) im Zweiten Weltkrieg Oberst im Generalstab war. Er verbrachte immer die Sommerferien im "`Birkenhaus"' an der Bennauerstraße und wohnte dort auch bei seinen Eltern und seiner Großmutter von September 1945 bis 1947. Das Haus Bennauerstraße 49 wurde "`Birkenhaus"' genannt, weil Carl Langenberg, Julius Langenbergs Sohn, eine Birke in den Vorgarten gepflanzt hatte. Des Obersten Onkel, Generaloberst Günther Korten, Chef des Luftwaffenführungsstabes, der einige Male im Birkenhaus zu Gast war, wurde am 20. Juli 1944 beim Attentat im Führerhauptquartier schwer verwundet. Am 23. Juli starb er an den Folgen der Verletzungen. Während ein Nachkomme der Xantener Adelsfamilie von Haeften als Adjutant des Grafen Stauffenberg am Widerstand gegen Hitler beteiligt war, gehörte ein Verwandter der Ueberhorsts zu den Opfern des Attentats. [200]
Maria Langenberg liebte ihren Ehemann Julius sehr. Sie äußerte oft, sie habe nie Streit mit ihm gehabt. Sie nannte ihn den Allerbesten. "`Er war in meinen Augen der Schönste"', sagte sie immer wieder. Seine Photographie, die sie nach seinem Tode auf dem Tisch stehen hatte, schmückte sie stets mit Blumen.
Die meisten Häuser, die Julius Langenberg zwischen 1889 und 1903 erbaute, sind als Einfamilienhäuser konzipierte Dreifensterhäuser, bei denen im Gegensatz zu den klassizistischen Häusern der Eingang an die Seite geschoben wurde, so daß im Erdgeschoß zwei zusammenhängende repräsentative Räume, meist Salon und Speisezimmer, die ganze Tiefe des Hauses einnehmen konnten. Darüber, in der Beletage, nahm bisweilen das große Wohnzimmer mit Balkon oder schmalem Hängeerker die ganze Breite des Hauses ein, dahinter lagen noch kleinere Zimmer. Den zweiten Stock, für die Schlafzimmer vorgesehen, hat der Baumeister bis 1903 zumeist in der gleichen Höhe wie die beiden anderen Stockwerke gebaut und nur sechsmal als Halbgeschosse konzipiert. Küche und Wirtschaftsräume lagen im Souterrain, das Dienstmädchen schlief unter dem Dach.
Der Grundriß des Dreifensterhauses, das Ergebnis einer wohlüberlegten, an Hand der Erfahrung durch Jahrhunderte entwickelten Konzeption, ist typisch für eine große Anzahl von Bauten in Aachen, am unteren Niederrhein, in den Niederlanden und in Belgien. Julius Langenberg steht damit in der Bautradition seiner niederrheinischen Heimat. Er hat jedoch auch Literatur zu Rate gezogen. Der Verfasser besitzt aus dem Nachlaß des Baumeisters das "`Deutsche Bauhandbuch, Baukunde des Architekten"', 2 Bände, Berlin, Verlag Ernst Toeche 1884. Wenn man Langenbergs Grundrißentwürfe mit den Mustergrundrissen im Bauhandbuch, Band 2, S. 166 und 174, vergleicht, kann man feststellen, daß der Architekt den überlieferten Grundriß des Dreifensterhauses unter dem Einfluß der Lektüre abgewandelt hat. Bei Langenbergs älteren Bauten fällt die Schrägwand des Salons zum Treppenhaus auf. Sie sind typisch für Bremer (S. 166) als auch für Londoner (S. 174) Reihenhäuser in den Vorstädten.
Von den bis 1903 erbauten 38 Häusern weisen 30 Fassaden mit Verblendsteinen auf, und zwar 20 mit gelben und 10 mit roten Verblendern. An dem Haus Heerstraße 141 fehlen Stuckgesimse, bei den übrigen verblendeten Häusern sind die fußbildenden, trennenden, rahmenden, krönenden und einfassenden Putzgesimse, die Brüstungen der Altane und Balkone mit Balustren, diesen schwellend länglichrunden reichprofilierten Säulchen, sowie die Konsolen im Dekor der deutschen Neurenaissance einfach und schlicht gehalten. Nur drei Häuser haben einen auf Konsolen ruhenden freischwebenden Balkon, 19 einen Erker in Parterre, 5 einen zweistöckigen Erker, 7 einen freischwebenden Erker im ersten Stock, eins einen freischwebenden zweistöckigen Erker. Bei den Häusern Argelanderstraße 74, 78 und 131, die in den Jahren 1902/03 gebaut wurden, sind gotisierende Stilelemente zu erkennen.
In den Jahren unmittelbar nach der Jahrhundertwende versuchte eine neue Architektengeneration, die von England, den USA und Belgien her beeinflußt war, sich von den Fesseln des Historismus zu befreien und einen neuen Stil zu finden. Der Jugendstil wurde geboren. Dieser Wandel zeigt sich auch bei den Bauten Julius Langenbergs. Er wurde bei ihm noch dadurch verstärkt, daß damals sein Sohn Carl von der Baugewerkschule ein neues Stilbewußtsein mit nach Hause brachte. Vater und Sohn hatten zwar beide eine Abneigung gegen die Ornamente des eigentlichen Jugendstils, die sie an keinem Bau in Erscheinung treten ließen, dennoch brachen sie mit der Neurenaissance, weil sie dem Zeitgeist nicht mehr entsprach, und bauten in einem Stil, der von deutschen Architekturreformern wie Paul Ehmig, Bruno Taut, Heinrich Metzendorf, Paul Mebes, Albert Geßner, Alfred Messel, Bruno Möhring und anderen vertreten wurde. Diese Architekten wandten sich gegen die angewandte Kunstgeschichte in der Architektur und den Eklektizismus, sie strebten nach Bodenständigkeit, Volks- und Heimatbezogenheit sowie Wohnlichkeit, sie entdeckten wieder die Schönheit des Materials und legten auf die städtebauliche Einordnung des Einzelhauses besonderen Wert.
Von den 65 Häusern, die Julius Langenberg erbaut hat, sind vier Eckhäuser, davon drei mit Ladenlokalen. Der Baumeister hat vornehmlich Reihenhäuser als Wohnhäuser geplant. Von den in einer Häuserzeile gelegenen Häusern ist nur das Haus Heerstraße 141 ein Wohn- und Geschäftshaus. Als Villa hat Langenberg nur das Haus Argelanderstraße 142 errichtet. Die meisten Häuser hat der Architekt als Einfamilienhäuser entworfen. Die Häuser Argelanderstraße 141, Argelanderstraße 157 und Bennauerstraße 31 hat er von vorneherein als Mehrfamilienhäuser mit abgeschlossenen Etagen geplant. Von 65 Häusern hatten 61 ursprünglich einen Vorgarten. Bei den Häusern an der Reuterstraße wurden vor mehreren Jahren, als die B 9 durch die Reuterstraße geführt wurde, die Vorgärten entfernt.
Baujahre der Häuser, die Julius Langenberg in Bonn gebaut hat:
Gesamtzahl der Häuser: 65 [201]
Laut Urkunde vom 2, Juli 1990 werden die Häuser Argelanderstraße 140, Bennauerstraße 23 und Bennauerstraße 27 als Denkmäler mit der Denkmalplakette des Landes Nordrhein-Westfalen versehen.
Julius Langenberg Sa 13. Aug 12:13:35 CEST 2016